Sonntag, 15. April 2012

Heimat geht durch den Magen


Als Teilzeitschwäbin, zu der ich inzwischen fortbildungsbedingt geworden bin, gelüstet es mich immer wieder nach heimatlich Vertrautem. Jetzt könnte einer sagen, zur Teilzeitschwäbin kann nur werden, wer zuvor eine echte Schwäbin war. Der Zugehörigkeit zum Volk der Genies und Erfinder von Schiller bis Benz darf man sich jedoch erst ab der ungefähr fünften Generation rühmen. In Stuttgart geboren zu sein, reicht da bei weitem nicht aus. Ebenso wenig das Urteilsvermögen der Norddeutschen, von denen jeder angesichts meiner leicht süddeutsch gefärbten Aussprache sogleich eine waschechte Schwäbin vor sich zu haben glaubt. Weit gefehlt, als Vertriebenenkind habe ich nicht die geringste Chance. Da zählt es auch nicht, dass ich das Riesengebirge nicht wirklich als meine Heimat betrachte...

Was läge also näher als die Sehnsucht nach Heimat mit Gebäck zu stillen? In Schwaben kennt man ja die "Seele", längliche Brötchen mit Kümmel und Salz. Was die Namensgebung angeht, vermute ich folgendes: Das zupackende Volk der Schaffer und Häuslesbauer kann seit jeher mit allem Unkonkreten, Unsichtbaren nicht viel anfangen. Was man hingegen essen kann, muss es auch geben. Das gilt auch für die Seele.


Interessant, das in meiner derzeitigen bayerischen Wahlheimat die Seele eindeutig schwäbisch ist. Sind die Bayern weniger misstrauisch, was die immaterielle Welt betrifft? Oder spricht man hierzulande vor allem den Schwaben seelenvolle Qualitäten zu? Geheimnisse über Mysterien, die mir auch der Bäcker nicht helfen konnte zu lösen.

Wenden wir uns der BREZEL zu. Noch komme ich mir ja jeden Tag wie eine Verräterin vor, wenn ich in München eine BREZE kaufe. Wie klingt das denn. Ich nuschle also vor mich hin und tue so als ob ich den letzten Buchstaben gerade hinunterschlucke.... Daran kann man unschwer merken, dass es zur Teilzeitbayerin noch nicht reicht;-) 
Die schwäbische Brezel und die bayerische Breze oder Brezn unterscheiden sich auch von der Konsistenz her. Eine perfekte Breze(l) zu backen, ist eine inzwischen selten gewordene Wissenschaft für sich. 


Die schwäbische Version hat die für meinen Geschmack genau richtige Konsistenz zwischen "labbrig" und knusprig. Außerdem bietet der obere Teil ausreichend Fläche, um dort Butter, Marmelade oder Nutella (mmmh - lecker) draufzuschmieren. 
Das bayerische Exemplar hingegen ist durchgängig bissfest und knackig. Man muss es vollständig durchschneiden, um eine Butterbreze daraus zu machen. Zu Assimilationszwecken - schließlich möchte ich ja vielleicht irgendwann mal dazugehören - verzehre ich derzeit jeden Tag ein Exemplar. Auch Heimat will erarbeitet sein.

Butterbreze - danach lechzt sogar die Kuh....   Alles Fotos: Christine Wawra

Neulich habe ich meine erste "Laugensemmel" bestellt und war mächtig stolz. Ich habe recht blauweiß kariert dazu geguckt, so dass man mich schon einbürgern wollte. Wo das wohl noch hinführt?


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