Montag, 28. November 2011

Michel Majerus im Kunstmuseum Stuttgart

Sehenswerte Ausstellung! 





Zwischen Virtualität und Lebensrealität 
Von Christine Wawra
Esslinger Zeitung 28. November 2011 


Stuttgart – Angesichts der Bilderflut heutzutage hat die Malerei keinen leichten Stand. Entweder sie besinnt sich konsequent auf sich selbst, die kunsthistorische Tradition, die malerischen Mittel. Oder aber sie stürzt sich auf die gegenwärtige Welt und ihre visuellen Reize, verleibt sich diese begehrlich ein. Michel Majerus verband beide Wege. Dem Künstler, der 1967 in Luxemburg geboren wurde und 2002 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, widmet das Kunstmuseum Stuttgart jetzt eine Retrospektive.
Spektakulär ist dabei die Verbindung zwischen Kunst und Raum: Majerus’ Riesenformaten musste die ständige Sammlung weichen, sie ist nun erstmals im Kubus zu sehen. Auf 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche in der ehemaligen Tunnelröhre hat das Museum eigens Wandmalereien und Installationen realisiert. Großformate von bis zu fünf Metern Höhe finden an den zweigeschossigen Wänden Platz. Es ergeben sich nicht nur reizvolle Durch- und Ausblicke, sondern die Architektur verschmilzt mit der Kunst auf gelungenste Weise. Diese seltene Synthese hebt die ansonsten einer Museumsarchitektur zumeist eigene Trennung von Gehäuse und Inhalt weitgehend auf.

Über die Treppe ins Untergeschoss taucht der Besucher ein in die knallbunten Bildwelten des Künstlers, der seine Ausbildung an der Stuttgarter Kunstakademie absolvierte: Von 1986 bis 1992 studierte er unter anderem bei K.R.H. Sonderborg und bei Joseph Kosuth.

Alles wird zum Versatzstück

Drei grüne, mit dem Schriftzug „motivation“ versehene Kugeln rollen über drei Leinwände. Sie entstammen der Ästhetik der Computerspiele, bezeichnen aber auch die Grenze zwischen virtueller welt und Lebensrealität, entlang derer sich das Werk von Majerus bewegt. Die technischen und vor allem ästhetischen Neuerungen der digitalen Revolution adaptierte Majerus nicht nur als Verweis, vielmehr konstituieren sie seine Kunst. Dabei finden sich immer wieder auch Anklänge an Konzeptkunst, das Informel oder den abstrakten expressionismus – nicht zuletzt weil Majerus Kollegen oder Vorbilder unverhohlen zitiert. Alles wird zum Versatzstück, ob Turnschuh, der eigene Name oder – wie in der Rauminstallation „Sinnmaschine“ – der charakteristische Farbauftrag Gerhard Richters. 
Majerus’ Lehrer Kosuth hebt in einem Katalogbeitrag die Eigenart seines Studenten hervor, der von Anfang an „pietätlos“ gewesen sei, „ohne Respekt vor der Autorität der Form wie vor denjenigen, die sich selbst zu ‚Hütern der Form’ ernannt hatten“.

Die über 100 Meter lange Wandmalerei „one by which you go in – one by which you go out” wird zum Hintergrund für die Gemälde aus der „MoM-Block”-Serie. Das einer Kaffeetasse entlehnte Blütendekor hängt so neben dem Bild eines Schädels, der Andy Warhols Skull-Serie ganz direkt aufgreift. Das Motiv erscheint allerdings gespiegelt und gedreht, was mit der entsprechenden Software am Computerbildschirm ja leicht zu bewerkstelligen ist.

Rhythmus ist das Schlüsselwort

Majerus’ Bilder feiern manchmal rauschhaft diese damals neuen Produktionsweisen, die nicht zuletzt auch die Musik veränderten. Mit DJs arbeitete Majerus teilweise eng zusammen, der damalige Grafiker der Love Parade entwickelte für ihn die Animation der 16-teiligen Videoarbeit „michel majerus”. Die Rhythmen des Techno mit ihren schier endlosen, teilweise minimalistischen Loops und Samples wandelten damals auch das Tanzverhalten. Die Raver-Szene war noch jung und eine ausgeprägte Subkultur, welche die Leerstände des wiedervereinigten Berlin für ihre Partys zwischennutzte.
Majerus’ Arbeiten geben der Stimmung dieser Jahre nicht nur Ausdruck, sondern lassen sie geschickt in hohe Kunst einfließen. Rhythmus ist schließlich das Schlüsselwort zum Verständnis der langen Wand: Nur im Abschreiten lässt sich das Werk als Ganzes erfahren, und die gelegentlich von bunten Gemälden akzentuierte monotone Reihung der Monumentalbuchstaben mag beim Betrachter eine gewisse Trance auslösen – so wurde damals nicht nur der DJ zum Künstler, sondern umgekehrt bediente sich auch der Künstler der Methoden eines DJ.

Comicwesen und Figuren aus Videospielen bevölkern die Bildwelten: von den Simpsons über asiatische Manga-Frauen bis zu den Space Invaders, die sich auf einem etwa 20 Quadratmeter großen Siebdruck-Bild tummeln. Majerus verwendet sie wie Chiffren oder Logos, den gelegentlich konzeptuell verwendeten Textbausteinen wie zum Beispiel „what looks good today may not look good tomorrow“ gleichwertig. Flächig aufgetragene Farbe, oft skizzenhaft mit großem Pinsel rasch verteilt, lässt viele Werke zugleich sehr malerisch erscheinen.
Doch man mag darüber mutmaßen, ob es sich dabei um unmittelbar künstlerischen Ausdruck handelt – oder vielmehr um bewusstes Zitieren der Malweise von anderen Künstlern. Wenn Majerus auch in einigen Arbeiten mit dem Schriftzug seines Namens präsent ist und zweifellos einen persönlichen Stil ausgeprägt hat, so wirkt er doch gleichzeitig in den Werken nicht wirklich greifbar. Er ist der große Arrangeur: einer, der synthetisiert und kombiniert.


Bis 9. April 2012. Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und freitags von 10 bis 21 Uhr. 

Freitag, 11. November 2011

Kunschd im Ländle - mehr davon

Gleich zwei Artikel von mir gibt es in der neuen Ausgabe von "Schönes Schwaben". Denn über Kunschd im Ländle kann man schließlich nie genug schreiben...
Wenigstens hier wird es geschätzt, wenn Text und Bild aus einer Hand stammen.
Zum Vergrößern bitte aufs Bild klicken.



Und hier folgt der zweite Streich: