Mittwoch, 28. Juli 2010

Der Fotograf als Bildarchitekt: Thomas Florschütz stellt in der Kunsthalle Tübingen aus


Thomas Florschütz (rechts) mit Kunsthallen-Leiter Daniel Schreiber         Foto: C.Wawra

Großformatige Architekturfotografien sind eine Spezialität des Fotografen Thomas Florschütz. Eindrucksvoll dokumentierte er den Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin - wie in den beiden Arbeiten, die oben im Bild zu sehen sind. Architektonische Details gewinnen ästhetische Qualitäten jenseits von Wiedererkennung, die Architekturfotografie zumeist anstrebt. Doch der abstrakte Wert hält sich mit dem Dargestellten die Waage. In dieser Hinsicht treffen die Arbeiten die Essenz von Fotografie, die als Kunstform ja ihren Reiz stets aus der Spannung zwischen einer dem Medium eigenen Abbildlichkeit und der Eigenständigkeit der Wahrnehmung bezieht. 
Und Florschütz, der 1957 in Zwickau geboren wurde, gelingt es, auf diese Weise den Charakter der abgelichteten Bauten besonders gut zu erfassen. Denn die Lichtführung beispielsweise betont die atmosphärischen Stärken dieser Räume, die wie im Falle des Neuen Museums in großer Einfühlsamkeit historische Verwundungen – als Folge der Kriegszerstörungen verfiel die Ruine Jahrzehnte lang - in Renovierung und Neubau einbeziehen.

Dem ehemalige Palast der Republik widmet Florschütz eine andere Bildserie. Er fotografierte die Ruine während des monatelangen Rückbaus und hält so einen melancholischen Schwebezustand fest. Die Fotos legen darüber hinaus einen spezifischen Umgang mit Geschichte bloß; durch das offene Stahl-Gerüst und über Regenpfützen hinweg fällt der Blick auf das Stadtpanorama der Berliner Mitte, einschließlich Fassaden-Attrappe der zu DDR-Zeiten abgerissenen Schinkelschen Bauakademie. Es wird deutlich, dass Geschichtsschreibung nicht zuletzt über Architektur funktioniert. Bauten werden nach ihrem Identifikationswert bemessen, und was gerade nicht in die Politik passt, muss weichen. Dafür baut man dann halt was anderes wieder auf und tut so, als habe es schon immer da gestanden. Berlin ist dafür ein eindrückliches Beispiel - aber das ist ein anderes Thema.

Die Fotos von Florschütz wirken nicht zuletzt über ihre Größe. Das wird schnell klar, vergleicht man die Ausstellungsversion des oben beschriebenen Palast-Motives - 2,53 x 1,83 m - mit der käuflichen Edition, einem Inkjet-Print in 58x80 cm. - Die Entdeckung, was Qualität und Größe mit einem Motiv machen, fand ich überaus aufschlussreich. Und nachahmenswert. In Zukunft werde ich meine Bilder auch schön groß machen. Was man nicht übersehen kann, muss ja auch irgendwie gut sein;-)

So, nach diesen seriösen Ausführungen muss ich noch eine Bemerkung zu einem der Katalog-Beiträge loswerden. Da verbreitet einer der Text-Autoren doch tatsächlich wieder einmal das Märchen von der Analogfotografie als der wahren Fotografie. Na so was, ich dachte das hätten wir inzwischen geklärt... 
Florschütz fotografiert ja in analogem Mittelformat, lässt die Dias dann scannen und die Daten auf Fotopapier ausbelichten. In der Tübinger Pressekonferenz erklärte er, dass - als er in den 1990-er Jahren mit den ausgestellten Serien angefangen hat, digitale Sensoren noch nicht in vergleichbarer Qualität erhältlich gewesen seien. Einzig aus diesem Grund habe er das analoge Verfahren vorgezogen und sei ihm dann bis jetzt treu geblieben. 
Da hätte der Katalog-Schreiber Johannes Meinhardt doch mal genauer nachgefragt oder hingehört bevor er seine Klischees verbrät: "Entscheidend ist, dass Thomas Florschütz in seinen Bildern zwei der wichtigsten Geheimnisse der analogen Fotografie (nur diese ist Fotografie im starken Sinne des Wortes -...) offenbart." Roland Barthes wird in der Folge zum Kronzeugen für die alleinige Kunstwürdigkeit des Analogen, da sich nur dort die optischen Strahlen materiell in die Silberschicht eingegraben haben...

Der arme Barthes, für was der alles herhalten muss. Dabei bin ich nach wie vor überzeugt, dass der französische Essayist, würde er noch leben, ein großer Fan der Digitalfotografie geworden wäre, siehe Blog-Eintrag "Der leuchtende Schatten" vom 10. Mai 2010. Hier nochmals das Barthes-Original-Zitat: "Ich bin kein Photograph, nicht einmal ein Amateurphotograph; dafür habe ich zu wenig Geduld: ich muß auf der Stelle sehen können, was ich gemacht habe.“ 
Dem Mann könnte heute ja ganz einfach geholfen werden...


Die Ausstellung "Imperfekt" von Thomas Florschütz in der Kunsthalle Tübingen dauert noch bis 26. September 2010.

Auch Blümchenfotos wirken groß gleich viel besser...   Bild: C.Wawra



Montag, 12. Juli 2010

Alles frisch: willkommen bei Paperblog

Diesen Blog gibt’s künftig auch zu lesen bei www.paperblog.de .

Paperblog ist eine partizipative Internetseite für Blogger, die soeben online gegangen ist. Die französische Version gibt es seit etwa drei Jahren. „Wir versuchen mit unserem Projekt zum einen ein alternatives Medium aufzubauen, in dem auch Erfahrungen, Meinungen und Ereignisse ihren Weg in die Öffentlichkeit finden, die in den klassischen, großen Medien eher wenig Gehör finden. Zum anderen bieten wir den Bloggern die Möglichkeit, zusätzlich zu ihrem eigenen Blog, weitere Leser für ihre Beiträge zu interessieren. Um dies zu erreichen, sortieren wir die Beiträge der Blogger nach thematischen Ressorts“, so die Worte der Macher/innen.

Ich fühle mich natürlich geehrt, dass mein noch recht junger Blog eingeladen wurde, das Ressort „Photographie“ zu bereichern;-)

Also viel Spaß beim Stöbern auf Paperblog.

Fotografie zwischen Oberfläche und Unsichtbarem - Die 8. Internationale Foto-Triennale Esslingen


Dies verspricht ein Sommer der Fotografie zu werden – zumindest im Mittleren Neckarraum, für ortsferne Leser: in und um Stuttgart herum.  Als erstes empfehle ich allen Freunden gepflegter Lichtbildartistik (diese Wortkreation stammt keineswegs von mir, sondern sie hat sich ein Fotograf in der Nachbarschaft aufs Atelier geschrieben, schmunzel... ), also wie gesagt, ich empfehle: Die 8. Internationale Foto-Triennale Esslingen 2010. Das Motto „Mapping Worlds“ ist klug gewählt im Zeitalter von Google Street View. Aber Welt-Kartierung ist natürlich viel mehr als das Erstellen einer dreidimensionalen Landkarte, um die es bei der - kuratierten - Schau höchstens in weiterem Sinne geht.

Die künstlerische Fotografie kartiert die Welt gewissermaßen als Bewusstseinslandschaft. Dazu zählen nicht nur reale Orte, sondern auch die in den Köpfen: politische, kulturelle, religiöse Zugehörigkeiten, die einerseits den eigenen Blick die Perspektive bestimmen. Andrerseits können sie beengend wirken, Grenzen erzeugen. 
Berührende Arbeiten aus dem Gaza-Streifen belegen das in der Ausstellung - so zum Beispiel die Schwarz-Weiß-Aufnahmen arabischer Graffiti, im Plakatwand-Format, der Holländerin Lidwien van de Ven. Anas Al-Shaikh aus Bahrain legt in einer Installation aus Leuchtkästen die Landkarten-Linien in den Köpfen spielerisch bloß: Wie auf Schnittmusterbögen geht es offenbar in unseren Hirnen zu, jeder folgt seinen Denk-Linien im Kopf oder schließt sich einem schon bestehenden Gefüge an. Bei als unüberwindbar (ebenfalls nur eine Vorstellung) gedachten kulturellen Differenzen kann das zu Krieg führen und zum Fortschreiben gewaltsamer Konflikte über Generationen hinweg.

Im historischen Ambiente der Villa Merkel – zwei weitere Ausstellungsorte sind das Bahnwärterhaus und die Galerie im Heppächer – führt der Bilderreigen aus mehreren Hundert Fotografien über drei Etagen. Die meisten Arbeiten bestehen aus Werkgruppen, Serien, die einer komplexen Welt wohl leichter gerecht werden als das Einzelbild. Sie verleihen Nachdruck durch Wiederholung oder erschließen, zum Beispiel reportageartig, mehrere Aspekte eines Themas.

Michael van den Bogaards zeigt quasi die Rückseite der Megacity Shanghai: einfache Quartiere sind dem Abriss geweiht, Schutthalden dehnen sich aus, dahinter wachsen Business-Hochhäuser in den oft von gleißendem Flutlicht erleuchteten Nachthimmel. Der niederländische Fotograf kartiert gewissermaßen die Nahtstelle von zwei Weltbildern, die hier aufeinanderprallen – das einer traditionellen asiatischen Stadt, in deren simpel hochgezogenen zweistöckigen Häusern die Leute mit ihren Läden im Erdgeschoss ein Auskommen haben, und eine gesichtslose Globalisierung der Gewinnmaximierung. Eine kontrastreduzierte Bildsprache unterstützt das Surreale.

Als Kontrapunkt zu den zeitgenössischen Standpunkten zieht sich eine 177 historische Schwarz-Weiß-Fotos umfassende Bildstrecke durch die Villa. Sie zeigt, nicht selten in humorvoller Weise, die Entwicklung der Schweiz zwischen 1840 und 1960. Von der Maultierkarawane verlagerte sich der Transport bis in die Lüfte. Das karge Leben der Almbewohner kontrastiert mit Errungenschaften des Fortschritts, Kuhhintern mit einem Paar nylonbestrumpfter Damenbeine. 

Rosalyn Titauds aufgeräumte Bildquadrate sind in einem Kloster entstanden. Man sieht darauf keine Menschen, wohl aber deren karge, gewissermaßen staubfrei-sterile und etwas altmodische Umgebung. In dieser Welt gibt es keine Nebensächlichkeit, sondern nur bedeutungsvolle Konzentration. Jedes Detail verweist auf die Priorität geistlichen Lebens und die Verinnerlichung der Bewohner dieser Räume. Ein schönes Beispiel dafür, dass Fotografie auch das Unsichtbare zu zeigen vermag.

Das Foto oben zeigt: Olaf Unverzart, aus der Serie "Von hier" (2000)
Unten: Anas Al-Shaikh, Serie "Hello Gulf" (2007)





Sonntag, 4. Juli 2010

Auf dem Zauberberg


Ich war auf dem Zauberberg. Der steht ja bekanntlich in Davos. Wenn auch auf keiner Landkarte verzeichnet, hat ihm doch Thomas Mann mit seinem Roman ein Denkmal gesetzt. Mit dem 1000-seitigen Werk im Gepäck, machte ich mich also auf zu journalistischen Recherchen vor Ort. Das Foto zeigt den Blick aus meinem ersten Basislager im Waldhotel Davos, einem der Schauplätze des Romans. Wie zahlreiche andere Hotels in der höchstgelegenen Stadt Europas war es Anfang des 20. Jahrhundets ein Sanatorium. Da bin ich doch lieber als Hotelgast gekommen..... Zumal es damals noch keine Wellness-Abteilung gab, sondern überall Spucknäpfe für die Tuberkulose-Kranken herumstanden.

Bei einem solchen Logis kann einem das Arbeiten glatt vergehen. Die Berge kamen quasi zu mir ins Zimmer, wer wollte da noch hinaufsteigen? Nicht einmal in der Badewanne muss man auf die Aussicht verzichten, ist die Nasszelle doch durch eine Glasscheibe vom Wohnbereich abgetrennt. Vom Bett aus hatte ich das halbe Tal im Blick. Wirklich schade, dass ein Presseaufenthalt üblicherweise bloß zwei Tage beträgt. In meiner Suite hätte ich gerne länger residiert!
Immerhin schlossen sich zwei weitere Tage im Berghotel Schatzalp an, wo es mir ebenfalls außerordentlich gut gefallen hat. Es liegt abgeschieden auf bald 2000 Meter Höhe, und die Jugendstil-Ausstattung des ehemaligen Luxussanatoriums ist noch weitgehend erhalten - ergänzt von 1950-er Jahre Charme, denn damals wurde das Haus zum Hotel umgebaut. Von hier aus wanderte ich durch Blumenwiesen, kehrte auf Almen ein, ließ mich von Jungkühen beschnuppern und stapfte durch letzte Schneefelder. Denn neben dem kulturjournalistischen Zauberberg-Thema wird es auch reisejournalistische Texte über Davos geben die ich dann gerne flächendeckend im deutschsprachigen Raum verkaufe;-)


Und so sieht es aus, wenn ich schreibend kreativ bin. Am liebsten breite ich alles um mich herum aus, auf dem Tisch wie hier oder manchmal auf dem Boden - weswegen ich auch nicht gern mit Email-Anhängen („ich schick Ihnen unsere Presse-Infos noch per mail“) und anderen digitalen Unterlagen arbeite. Sondern ich bevorzuge konventionelles Papier, da kann ich mich regelrecht dran abarbeiten. Stapel schrumpfen, mein Text wächst. Die verschiedenen Haufen bilden sozusagen die Verknüpfungen in meinem Gehirn auch räumlich ab. 
Nun, bevor ich noch Wundersameres über meine Gehirnwindungen verzapfe (der Zauberberg lässt grüßen!), gönne ich mir am heutigen Sonntag zur Abwechslung noch einen Feierabend.