Dirndl statt Kittelschürze
Elisabeth Kabateks schwäbisch-ironische Beziehungsstory "Brezeltango"
Schon in ihrem zweiten Buch-Auftritt zeigt sich Elisabeth Kabateks Heldin Pipeline Praetorius als absolut serienverdächtig: Mit „Brezeltango“, der Fortsetzung des Bestsellers „Laugenweckle zum Frühstück“, hat die Stuttgarter Autorin ein Lesevergnügen geschaffen, das ihrem Erstling an Leichtigkeit, Situationskomik und Sprachwitz in Nichts nachsteht.
Zwar ist es ein Roman mit viel Lokalkolorit, und zu den mundartlichen Passagen gibt es (in Maßen) Übersetzungshilfen für Nicht-Schwaben. Doch gewinnt die Geschichte ihren Charme nicht zuletzt aus der liebevollen Distanz der Ich-Erzählerin Pipeline, genannt Line zu allzu viel Schwabentum. Sie stammt wie ihre Erfinderin aus einem „kleinen, unbesiegbaren Dorf in der Nähe von Stuttgart, das sich erfolgreich gegen die Eingemeindung durch die Metropole gewehrt hatte“. Den Kartoffelsalat in die Maultaschen-Brühe zu klatschen, erregt so bei Line ebenso viel Schaudern wie die über die Kehrwoche ausgeübte Sozialkontrolle.
Inzwischen sind Line, deren „Katastrophen-Gen“ für ihr chaotisches Leben verantwortlich ist, und der Bosch-Ingenieur Leon aus Hamburg ein Paar. Und belegen auf 333 Buchseiten, dass sich Gegensätze anziehen, dass das Leben so dramatisch ist wie ein Tango und die Wege des Glücks manchmal so verschlungen sind wie eine Brezel.
Line, die noch-arbeitslose Werbe-Texterin, braucht intellektuelles Futter und fühlt sich als Vertreterin der Kreativbranche zur Stuttgarter Künstlerszene hingezogen. Leon ist mehr der solide Typ, der sich auf dem Grillabend im Reihenhaus des Kollegen wohlfühlt. Ihn würde es ja schon glücklich machen, wenn Line ihn im Dirndl zum Cannstatter Wasen begleitet. Die lehnt derartigen Kostümzauber ab, womit die Katastrophe ihren Lauf nimmt. So bekommt Rivalin Yvette, Leons mit allen weiblichen Primärreizen ausgestattete Kollegin ihre Chance. Nur Herr Tellerle und Frau Müller-Thurgau können das scheinbar bevorstehende Ende noch wenden und sind damit für ihre kleinen Gemeinheiten im Treppenhaus rehabilitiert.
Kabateks Humor schlägt viele Kapriolen. Dass er nicht selten slapstick-mäßig mit der Schreiberin durchgeht, sorgt für surreale Einlagen. Die tragen paradoxerweise zur Glaubwürdigkeit bei. Schließlich ist das Leben selbst oft sprunghaft.
Doch ebenso wichtig ist die sorgfältige Beobachtung, auf der der Text basiert: Dazu gehört der Zeitgeist in Benztown ebenso wie die Unterschiede zwischen Beziehungserwartung und -wirklichkeit. Letztere funktioniert ja oft mehr nach Currywurst- als nach Candle-Light-Dinner-Prinzip. Protagonistin Line steht für eine Überwindung dieser Gegensätze.
Auch diejenigen Menschen im Buch, die anfangs jedem Klischee zu entsprechen scheinen, sind nicht glatt: So entpuppt sich der Porsche fahrende Zahnarzt Harald als patenter Mensch und doch als richtiger Freund für Lines weltverbessernde Freundin Lila. Wie jede Komödie im echten Sinne dringt der „Brezeltango“ in seelische Tiefen vor – mit scheinbar leichter Hand.
Christine Wawra
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