Donnerstag, 22. Dezember 2011

Weihnachtspannen

Heute habe ich meine Weihnachtsdeko entsorgt. Richtig, es ist der 22. Dezember und noch zwei Mal schlafen bis Heilig Abend. Aber wenn der Tannenbaum - oder das was dafür herhalten sollte - bei "wie grün sind deine Blätter" nicht mehr mitmacht..... Bin ich doch vor ca. vier Wochen extra mit der Gartenschere in den Wald und habe von einer sturmgestürzten Tanne (in unserem Laubwald sowieso eine Seltenheit) Zweige abgeschnitten. In die Bodenvase gesteckt, wurde schon fast ein Christbaum daraus. Bestimmt hätte jeder Forststudent fachkundig gesehen, dass die umgestürzte Tanne schon seit Monaten da lag und die immergrünen Zweige von daher bald nimmer grün sein würden. Nicht so ich;-) Aber seit ein paar Tagen fand ich den Anblick des skelettierten Ersatz-Baumes einfach nicht mehr appetitlich, und so habe ich zur Freude meiner Nachbarn heute damit die Biotonne vollgestopft.

Wenn es tatsächlich grüne Blätter wären, würde o Tannenbaum nicht nadeln.

Die zweite Weihnachtspanne begab sich als ich dem Engel zu seinen Flügeln verhelfen wollte - denn was ist auch der kleinste Engel ohne sein Fortbewegungsmittel...... Er kann dann nicht mehr von Mensch zu Mensch fliegen und sehen, wo er gebraucht wird, sondern muss an einem Ort bleiben. So hatte ich nun bestimmt zehn Jahre lang einen kleinen Engel in einer Kiste, aus der er nicht mal in der Adventszeit hinaus durfte, denn er hatte ja nur einen Flügel was nicht schön anzusehen ist.... Der Arme. Also holte ich nun endlich tatkräftig den Sekundenkleber hervor und verteilte ihn großzügig auf der Quadratmillimeterkleinen Auflagefläche.... Klarerweise bekamen meine Finger davon am meisten ab. Bis ich merkte, dass das ja Sekundenkleber ist, war es schon passiert. Herr Google wusste Rat, und es tröstete mich dass ich offenbar nicht die erste war die sich ihre Haut mit dem Zeugs zugekleistert hat. Abwechselnd badete ich nun die Finger in warmen Seifenwasser und hielt mit Nagellackentferner getränkte Wattebäusche darauf. Ständig fürchtete ich, mit der Klebschicht auch die Haut abzuziehen, doch das ist glücklicherweise nicht passiert (ich hatte so eine Erfahrung mal mit einem Blasenpflaster, bei dem ich ebenfalls keine Gebrauchsanweisung gelesen hatte bzw. erst hinterher;-)). Schon am nächsten Morgen war es deutlich besser. Und der kleine Engel kann nun wieder dorthin fliegen, wo er gebraucht wird.

Mit zwei Flügeln musiziert es sich gleich viel harmonischer als mit einem.

Und die dritte Weihnachtspanne ist mein Adventskranz. Erstens weil er kein Kranz ist. Alle Jahre wieder hülle ich mein rundes Vesper-Schneide-Brettchen in weihnachtlich glänzende Alufolie und stelle vier Kerzen darauf. Kann schon nix anbrennen! Zur Krönung habe ich dieses Mal das Arrangement mit einem Stück echtem südostasiatischen Kunsthandwerk mit hohem Glitzerfaktor verziert. Die Münchner Szeneläden sind voll davon, und da konnte ich dann nicht widerstehen. Schließlich bringt so ein Hirsch echtes Wald-Feeling mit sich und sollte jeden Adventskranz spielend ersetzen.... Nun, urteilt selbst;-)

Süßer die Hirsche nie röhren....

In diesem Sinne wünsche ich allen, die das lesen frohe Weihnachten! Und danke dass Ihr meinem Blog ein wenig Aufmerksamkeit zollt;-)

Freitag, 16. Dezember 2011

Where have all the Käfers gone?

So, nach mehr als einem Jahr seit meiner Rückkehr aus Peru und Bolivien bin ich nun auch schon mit der Postproduktion der Fotos beschäftigt. Ganz von der schnellen Sorte also;-) Danach gehen die Fotos ab die Post zu meiner Bildagentur Schapowalow in Hamburg...

Ich habe mich schon immer gefragt, wo die ganzen VW-Käfer, nachdem der hiesige TÜV sie von ihren Besitzern geschieden hat, eigentlich ihre Auferstehung feiern durften. Nun weiß ich es: in Bolivien. Habe in dem - nur auf Bildern südlich anmutenden Städtchen - Copacabana am Titicacasee ein Nest gefunden. Hier findet an bestimmten Sonntagen das Autosegnen statt. 
Foto: Christine Wawra
KfZ-Besitzer stellen ihre fahrbaren Untersätze dem Priester sozusagen vor die Haustür, sprich die Kathedrale, wichtigster Wallfahrtsort des Landes. Die Gefährte werden mit Blumengirlanden und Wimpeln geschmückt, dass es eine Freude ist. Auf diese Weise lassen sich auch Rostlöcher elegant kaschieren. Der Priester geht mit einem eimergroßen Weihwasserkübel durch die Reihen und spritzt mit einem wischmoppgroßen Weihwassersprengel alles was ihm vor denselben gerät (so auch meine Kamera, die nun als gesegnet zu betrachten ist).
Foto: Christine Wawra

Und hinterher geht's zum Strand..... Während die Familie picknickt oder Grillfisch isst, dürfen auch die Autos die tolle Aussicht (in 4000 Meter Höhe) genießen.
Foto: Christine Wawra

Foto: Christine Wawra
Es heißt, dass diese Prozedur die bolivianische Autoversicherung schlechthin sei.
Für viele der Autos, die dort im Umlauf sind, gilt das bestimmt: Da hilft nur Beten......

Freitag, 9. Dezember 2011

Theaterfotografie für Schulen

Schultheater-Fotografie beschäftigt mich seit langem, und bei diversen Projekten haben wir die Wirkung erprobt, die professionelle Theaterfotos auf Schüler, Eltern und Lehrer haben. Kein beliebiges Geknipse und störendes Geblitze während der Aufführung à la Hauptsache-mein-Kind-ist-drauf, sondern sorgfältiges Arbeiten bei geeigneten Proben. 
Zusammen mit Werner Jauch, dem Referenten für Schultheater in Baden-Württemberg, habe ich auf diese Art schon mehrere Produktionen begleitet. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, gute Fotos seien unbezahlbar (schön wär's, meine Honorare wissen davon aber nichts;-) haben wir diverse Finanzierungsmodelle entwickelt. Nachfragen lohnt. 
Die folgenden Seiten sind Auszüge aus der Französischlehrer-Zeitschrift Der fremdsprachliche Unterricht - Französisch mit meinen Fotos, die diesmal keine für die Bühne gedachte Inszenierung wiedergeben, sondern szenische Übungen und Improvisationen. Das gute alte Schwarzweiß tut den Augen doch gut, oder.
Zum Vergrößern ins Bild klicken.



 



Montag, 28. November 2011

Michel Majerus im Kunstmuseum Stuttgart

Sehenswerte Ausstellung! 





Zwischen Virtualität und Lebensrealität 
Von Christine Wawra
Esslinger Zeitung 28. November 2011 


Stuttgart – Angesichts der Bilderflut heutzutage hat die Malerei keinen leichten Stand. Entweder sie besinnt sich konsequent auf sich selbst, die kunsthistorische Tradition, die malerischen Mittel. Oder aber sie stürzt sich auf die gegenwärtige Welt und ihre visuellen Reize, verleibt sich diese begehrlich ein. Michel Majerus verband beide Wege. Dem Künstler, der 1967 in Luxemburg geboren wurde und 2002 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, widmet das Kunstmuseum Stuttgart jetzt eine Retrospektive.
Spektakulär ist dabei die Verbindung zwischen Kunst und Raum: Majerus’ Riesenformaten musste die ständige Sammlung weichen, sie ist nun erstmals im Kubus zu sehen. Auf 2500 Quadratmetern Ausstellungsfläche in der ehemaligen Tunnelröhre hat das Museum eigens Wandmalereien und Installationen realisiert. Großformate von bis zu fünf Metern Höhe finden an den zweigeschossigen Wänden Platz. Es ergeben sich nicht nur reizvolle Durch- und Ausblicke, sondern die Architektur verschmilzt mit der Kunst auf gelungenste Weise. Diese seltene Synthese hebt die ansonsten einer Museumsarchitektur zumeist eigene Trennung von Gehäuse und Inhalt weitgehend auf.

Über die Treppe ins Untergeschoss taucht der Besucher ein in die knallbunten Bildwelten des Künstlers, der seine Ausbildung an der Stuttgarter Kunstakademie absolvierte: Von 1986 bis 1992 studierte er unter anderem bei K.R.H. Sonderborg und bei Joseph Kosuth.

Alles wird zum Versatzstück

Drei grüne, mit dem Schriftzug „motivation“ versehene Kugeln rollen über drei Leinwände. Sie entstammen der Ästhetik der Computerspiele, bezeichnen aber auch die Grenze zwischen virtueller welt und Lebensrealität, entlang derer sich das Werk von Majerus bewegt. Die technischen und vor allem ästhetischen Neuerungen der digitalen Revolution adaptierte Majerus nicht nur als Verweis, vielmehr konstituieren sie seine Kunst. Dabei finden sich immer wieder auch Anklänge an Konzeptkunst, das Informel oder den abstrakten expressionismus – nicht zuletzt weil Majerus Kollegen oder Vorbilder unverhohlen zitiert. Alles wird zum Versatzstück, ob Turnschuh, der eigene Name oder – wie in der Rauminstallation „Sinnmaschine“ – der charakteristische Farbauftrag Gerhard Richters. 
Majerus’ Lehrer Kosuth hebt in einem Katalogbeitrag die Eigenart seines Studenten hervor, der von Anfang an „pietätlos“ gewesen sei, „ohne Respekt vor der Autorität der Form wie vor denjenigen, die sich selbst zu ‚Hütern der Form’ ernannt hatten“.

Die über 100 Meter lange Wandmalerei „one by which you go in – one by which you go out” wird zum Hintergrund für die Gemälde aus der „MoM-Block”-Serie. Das einer Kaffeetasse entlehnte Blütendekor hängt so neben dem Bild eines Schädels, der Andy Warhols Skull-Serie ganz direkt aufgreift. Das Motiv erscheint allerdings gespiegelt und gedreht, was mit der entsprechenden Software am Computerbildschirm ja leicht zu bewerkstelligen ist.

Rhythmus ist das Schlüsselwort

Majerus’ Bilder feiern manchmal rauschhaft diese damals neuen Produktionsweisen, die nicht zuletzt auch die Musik veränderten. Mit DJs arbeitete Majerus teilweise eng zusammen, der damalige Grafiker der Love Parade entwickelte für ihn die Animation der 16-teiligen Videoarbeit „michel majerus”. Die Rhythmen des Techno mit ihren schier endlosen, teilweise minimalistischen Loops und Samples wandelten damals auch das Tanzverhalten. Die Raver-Szene war noch jung und eine ausgeprägte Subkultur, welche die Leerstände des wiedervereinigten Berlin für ihre Partys zwischennutzte.
Majerus’ Arbeiten geben der Stimmung dieser Jahre nicht nur Ausdruck, sondern lassen sie geschickt in hohe Kunst einfließen. Rhythmus ist schließlich das Schlüsselwort zum Verständnis der langen Wand: Nur im Abschreiten lässt sich das Werk als Ganzes erfahren, und die gelegentlich von bunten Gemälden akzentuierte monotone Reihung der Monumentalbuchstaben mag beim Betrachter eine gewisse Trance auslösen – so wurde damals nicht nur der DJ zum Künstler, sondern umgekehrt bediente sich auch der Künstler der Methoden eines DJ.

Comicwesen und Figuren aus Videospielen bevölkern die Bildwelten: von den Simpsons über asiatische Manga-Frauen bis zu den Space Invaders, die sich auf einem etwa 20 Quadratmeter großen Siebdruck-Bild tummeln. Majerus verwendet sie wie Chiffren oder Logos, den gelegentlich konzeptuell verwendeten Textbausteinen wie zum Beispiel „what looks good today may not look good tomorrow“ gleichwertig. Flächig aufgetragene Farbe, oft skizzenhaft mit großem Pinsel rasch verteilt, lässt viele Werke zugleich sehr malerisch erscheinen.
Doch man mag darüber mutmaßen, ob es sich dabei um unmittelbar künstlerischen Ausdruck handelt – oder vielmehr um bewusstes Zitieren der Malweise von anderen Künstlern. Wenn Majerus auch in einigen Arbeiten mit dem Schriftzug seines Namens präsent ist und zweifellos einen persönlichen Stil ausgeprägt hat, so wirkt er doch gleichzeitig in den Werken nicht wirklich greifbar. Er ist der große Arrangeur: einer, der synthetisiert und kombiniert.


Bis 9. April 2012. Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und freitags von 10 bis 21 Uhr. 

Freitag, 11. November 2011

Kunschd im Ländle - mehr davon

Gleich zwei Artikel von mir gibt es in der neuen Ausgabe von "Schönes Schwaben". Denn über Kunschd im Ländle kann man schließlich nie genug schreiben...
Wenigstens hier wird es geschätzt, wenn Text und Bild aus einer Hand stammen.
Zum Vergrößern bitte aufs Bild klicken.



Und hier folgt der zweite Streich:


Donnerstag, 6. Oktober 2011

Tagungsfotografie bei EUROPARC 2011

... ein paar Impressionen von meinem jüngsten Fotoauftrag bei der Naturschutzkonferenz EUROPARC in Bad Urach. Vier Tage lang tagte der europäische Dachverband aller Nationalparks, Biosphärengebiete und Naturparks. Über 300 Menschen hörten im Palmensaal des historischen Schlosses konzentriert den Vorträgen zu, die mit kulinarischen Höhepunkten wechselten.... Beides habe ich jedoch vor allem andern durch meine Objektive wahrgenommen (ab dem zweiten Tag hab ich mir aber auch was vom Buffet gegönnt, Kamera-Stemmen macht schließlich hungrig). Also Dauereinsatz für mich und Stresstest für meine Ausrüstung, um möglichst nur beste Bilder zu produzieren;-) Das Hauptmotiv "Redner(in) an einem (nicht gerade todschicken) Rednerpult" galt es gefühlt hundertfach und stets abwechslungsreich in Szene zu setzen.

Ed Gillespie      Foto: Christine Wawra
Auch Naturschutz braucht Marketing-Strategien, wie Ed Gillespie in seinem Impulsvortrag (neudeutsch 'keynote') darlegte. Von 2007 bis 2008 umrundete Gillespie die Erde ohne ein Flugzeug zu benutzen – slow and low carbon travel. "Less loss – more love" war ein Kernsatz des Mitbegründers von "Futerra Sustainability Communications", will heißen, Naturschutz nicht vom Verlust her in die Öffentlichkeit zu tragen ("alle 20 Minuten stirbt eine Art aus"), sondern von der Liebe und dem Engagement her. Find ich gut;-)

Podiumsdiskussion mit Obstkisten aus dem Biosphärenreservat   Foto: Christine Wawra
Und zwischendurch wurde sogar gelacht! Von links: Ed Gillespie, Miranda Schreurs (Vorsitzende der Europäischen Umwelt- und Nachhaltigkeitsräte, Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung), Trevor Sandwith (Direktor des IUCN-Programms für weltweite Schutzgebiete), Moderator Klaus Liedtke (ehemaliger Chefredakteur von National Geographic), Erika Stanciu (Ex-Präsidentin EUROPARC Federation) und Eberhard Brandes (Vorstand WWF Deutschland). Puh, was für eine Aufzählung.

Raquel Ferreira von den Azoren entdeckt die schwäbische Küche   Foto: Christine Wawra
Wie gut, dass es immer wieder so leckeres Essen gab - wie zum Beispiel ein "Buffet der Nationalen Naturlandschaften". Hierfür hatten die deutschen Nationalparks, Biospährenreservate und Naturparks regionale Köstlichkeiten vorab an die Caterer geschickt, die all die Speisen appetitlich arrangiert haben. Es gab zum Beispiel Wildsalami aus dem Naturpark Lauenburgische Seen, Schwarzwälder Bergkäse, Rothirschsülze aus dem Nationalpark Bayerischer Wald und Bärlauch-Senf aus dem Nationalpark Hainich (von dem ich dank Google jetzt auch weiß, wo das liegt;-) Und weil Essen so schön sein kann, zum Abschluss für heute noch ein stimmungsvolles Fressfoto – so bot sich mir in der Uracher Festhalle der Blick von der Empore aus. Enjoy your meal.
Buffet des Hotel Graf Eberhard in Bad Urach    Foto: Christine Wawra
Hier gibt's mehr Infos über den Verband: www.europarc-deutschland.de und www.europarc.org

Donnerstag, 8. September 2011

Im Heilpflanzengarten

In der September-Ausgabe der Zeitschrift "Schönes Schwaben" (nicht zu verwechseln mit 'schöne Schwaben' - das sind wir selber;-)) ist mein Artikel über den Heilpflanzengarten der Firma Weleda in Schwäbisch (!) Gmünd zu lesen. (Zum Vergrößern bitte ins Bild klicken.)



Und weil die Redaktion den meinen Schlusssatz gestrichen - und damit den Sinn verschoben - hat, hier nochmal der letzte Abschnitt in voller Länge:

Der Weleda Heilpflanzengarten ist ein Mikrokosmos, in dem das Wissen Anwendung findet, dass die einzelnen Teile nicht vom Ganzen zu trennen sind, sondern auf das vielfältigste und subtilste miteinander verwoben. Diese Information wohnt jedem Produkt inne. Der eine mag es spüren, der andere weniger. Doch liegt darin ein Potenzial für die Harmonisierung und Gesundung einer Welt, die aus den Fugen geraten ist.

Es war eine Freude, diesen Garten und die Arbeit, die hinter den beliebten Weleda-Produkten steht, kennenzulernen. Da cremt man sich gleich nochmal so gerne damit ein;-)

Blüten der Calendula/Ringelblume                              Foto: Christine Wawra

Mittwoch, 10. August 2011

Schwein gehabt

Nein, mein Blog ist nicht tot - das ist der Beweis. Da ich mich allerdings das vergangene halbe Jahr ganztägig mit Texten befasst habe, als Redakteurin auf Zeit bei der weltberühmten Esslinger Zeitung, hat dieses freizeitliche Schreiben halt etwas gelitten. Sorry.


Diese Fotos zeigen südamerikanische Glücksschweine, von denen ich auf meiner bisher letzten großen Reise (könnt' mal wieder was nachkommen;-) mehrere Nester entdeckt habe. Im Gegensatz zum deutschen Glück, das oft eher scheu daher kommt und so begehrt wie selten ist, nimmt der Artverwandte aus den Anden - wie man im Bild oben sieht - Kontakt auf zum glücklichen Gegenüber.


 ... gerne aber auch zu seinesgleichen, nach dem Motto "wer hat, dem wird gegeben", und wer schon glücklich ist, der zieht das Glück erst richtig an.


Wo das Glück regiert, geht's drunter und drüber.


Sag ich doch;-)


Vielleicht doch besser wieder an die Leine nehmen...

In diesem Sinne, also so tiefgängig wie sinnfrei wünsche ich allen Lesern/Usern/virtuellen und realen Menschen VIEL GLÜCK!

Mittwoch, 13. April 2011

Michel Houellebecq in Stuttgart

In Stuttgart gab es letztens ein literarisches Event der besonderen Art: Michel Houellebecq, der in Deutschland außer in Benztown nur noch in Berlin Station machte, beehrte seine Zuhörer/Leser mit unglaublich schlechter Laune - und einer Lesung.
Den folgenden Text + Foto habe ich in der Esslinger Zeitung am 9. April 2011 veröffentlicht:

Michel Houellebecq beäugt sein Publikum in Stuttgart. Foto: Christine Wawra

"Ich bin eine Karte"
Der französische Starautor Michel Houellebecq liest im Stuttgarter Mozartsaal aus seinem neuen Roman "Karte und Gebiet"
Von Christine Wawra
Wieviel Koketterie braucht ein Schriftsteller seinem Publikum gegenüber? Sollte er es in einer Lesung gewinnend anlächeln, verbindlich anschauen, als Verbündeten behandeln, dankbar für das ihn nährende Leserinteresse? Michel Houellebecq scheint von alledem nichts zu halten, spielt zumindest mit einer unnahbaren Fassade. Als der Pariser Literaturwissenschaftler und Moderator des Abends, Jürgen Ritte, den französischen Starautor im Mozartsaal der Stuttgarter Liederhalle vorstellte, huschte kein Lächeln über dessen Gesicht. Der jüngst mit dem höchsten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt, Ausgezeichnete schien unbeteiligt, ja abwesend, und wenn er nicht rauchte, nagte er gerne an seinen Fingernägeln herum. Währenddessen lief die Maschinerie des Literaturbetriebs wie in einem parallelen Universum neben ihm ab. Ritte sprach von Houel­lebecqs Erfolg, wobei der Autor in Deutschland „vielleicht noch bekannter als in Frankreich“ sei. Er schreibe nicht nur Romane, sondern sei auch längst zur Romanfigur geworden, etwa in Werken von Bodo Kirchhoff oder Iris Hanika. Eine 850 Seiten mächtige Doktorarbeit, die Ritte ins Publikum zeigte, behandle lediglich die Rezeption des Erfolgsautors in deutschsprachigen Ländern zwischen 1999 und 2005.
Doch der, über den da geredet wurde, taute nicht wirklich auf. Rittes erste Frage, ob der Erfolg in Deutschland sein Bild über das Nachbarland verändert habe, beantwortete er mit einem längeren Räuspern und einem schlichten "nein". In der Doktorarbeit stünde das ja drin. Ob darin Passagen seien, die ihn amüsiert haben, wollte der Moderator wissen. "Oui". Übersetzer Jürgen Stähle schaltete sich ein: "'Oui' heißt 'ja', aber das wussten Sie schon." Lachen im Saal. Das Publikum wollte unterhalten sein und verzieh seinem Starautor das Divenverhalten offenbar mit Humor.

Vielleicht ist ja der Autor auch ein wenig wie sein Werk, ist der Mensch Houellebecq ebenso wenig greifbar wie ein eindeutiger Sinn seiner Kunst. „Karte und Gebiet“ ist ein Künstlerroman, in der Wirklichkeit und Fiktion in brillanter Sprache fließend ineinander übergehen. „La carte n’est pas le territoire“ heißt es in einer französischen Redewendung: Die (Land-)Karte ist nicht das Gebiet“. Neben dem Protagonisten Jed, einem Maler und Fotografen, tritt Michel Houellebecq selber als Romanfigur auf - und lässt sich grausam ermorden, zerstückeln. Trotz seines kunsttheoretischen und philosophischen Gehalts ist das Buch auch ein spannender Krimi. Die Handlung spielt in naher Zukunft, wenn sich offenbar die Kernfragen einer Me diengesellschaft nach dem Verhältnis von Kunst und Realität - was ist Inszenierung, was ist wahr, wo verläuft die Grenze? - noch zuspitzen.
Er wolle seine Leser „hypnotisieren“, so der Autor, „dass sie nicht wissen, wo’s langgeht“. Das ist ihm nicht nur schreibend gelungen, sondern gelang ihm auch beim Lesen. Mit seiner großen, schwarzumrandeten Brille trug er in tranceartiger Monotonie eine Passage vor, in der sich Steve Jobbs und Bill Gates begegnen. Houellebecqs Stimme hatte etwas Zerbrechliches und offenbarte überraschend eine Zartheit, die ja auch dem sprachlichen Feinsinn seiner Texte innewohnt. Wer so empfänglich ist für die Welt, wer diese derart bildmächtig in sein Schreiben einlässt und sich in einem „Roman des Verschwindens“, wie Ritte „Karte und Gebiet“ nannte, buchstäblich auflöst, der muss sich vielleicht vor derselben Welt auch immer wieder schützen, ja sie abwehren.
Felix Klare, bekannt als Stuttgarter „Tatort“-Kommissar, las aus der deutschen Übersetzung von Uli Wittmann. Als geübter Sprecher ließ er die Figuren und ihre Gedanken lebendig werden und im Lesen körperliche Präsenz spüren: geradezu das Gegenmodell zum Vortrag des Autors selbst, der während Klares Sprechen Wort für Wort in der französischen Ausgabe mitverfolgte.
Bei den nachfolgenden Fragen, die Ritte an Houellebecq stellte, war der Autor dann etwas gesprächiger als am Anfang. Nette Anekdoten konnte man freilich nicht erwarten, sondern er bewegte sich gewissermaßen innerhalb der Hermetik seines Romans. „Ich fühle mich so sehr als Rea list, wie eine Karte realistisch ist. Eigentlich bin ich eine Karte“, sagte er. Das grausame Gemetzel, den Mord an seinem alter ego im Roman, verteidigte er als „schönes und clowneskes Bild für den Leser“. Es habe auch etwas zu tun mit dem Bild, das man sich von ihm mache. „Ich finde es jedenfalls lustig“, sagte Houellebecq. Wie ein Gnom lächelte er dabei, und seine Augen blitzten auf.
Von links nach rechts: Übersetzter Jürgen Stähle, Michel Houellebecq,
Literaturwissenschaftler Jürgen Ritte,  Sprecher Felix Klare  Foto: Christine Wawra


Übrigens: Warum dieses Programm manchmal Absätze im Text nach meinen Eingaben macht und manchmal nicht - das weiß der Geier! ;-)